Wenn Du den Frieden willst, …“

Zu den Auswirkungen des MDK-Reformgesetzes

– Teil 1 –

 

  • Vorbemerkung

Seit Veröffentlichung des MDK-Reformgesetzes wurde bereits umfangreich darüber diskutiert, ob die vom Gesetzgeber gewollte Neuausrichtung des Medizinischen Dienstes (MD), insbesondere die Schaffung einer von den Krankenkassen unabhängigen Instanz, geglückt ist. Viele in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen werden wohl erst im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung geklärt werden.

Ob sich der Umfang der – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen zu den Ergebnissen von Prüfungen des MD im Vergleich zur bisherigen Praxis mit der Neuausrichtung des Medizinischen Dienstes tatsächlich reduzieren lässt, muss – wie zu zeigen sein wird – bezweifelt werden.

In diesem und den nachfolgenden Newslettern wollen wir auf die aus unserer Sicht für die Praxis wichtigsten Punkte eingehen. Dabei wollen wir insbesondere zeigen, wie sich Krankenhäuser gegen Auswirkungen des MDK-Reformgesetzes verteidigen können.

  • Forderungsmanagement

Fest steht, dass es auch nach dem MDK-Reformgesetz weiter Einzelfallprüfungen geben wird. Die bislang in § 275 Abs. 1c SGB V dazu gesetzlich geregelten Rahmenbedingungen sind grundsätzlich überarbeitet worden. Sie finden sich nun insbesondere in § 275c SGB V, aber auch in anderen, ergänzenden Rechtsvorschriften.

Änderungen haben sich vor allem im Hinblick auf die Durchführung von Einzelfallprüfungen und der Umsetzung der dabei gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen des Forderungsmanagements ergeben.

Sofern es künftig neben den Einzelfallprüfungen nach § 275c SGB V mit der Qualitätsprüfung nach § 275a SGB V und der Strukturprüfung nach § 275d SGB V im Alltag der Krankenhäuser weitere Prüfungen durch den MD geben wird, werden wir dies in den folgenden Newslettern für Sie aufarbeiten.  Wir werden dabei insbesondere aufzeigen, welche Rechtsschutzmöglichkeiten es in diesem Zusammenhang geben wird.

  • Bedeutung für das Forderungsmanagement

Das Forderungsmanagement ist nicht nur von der in § 275c SGBV neu geregelten Einzelfallprüfung betroffen. Änderungen resultieren vielmehr auch aus anderen Normen des KHG, SGB V und der Prüfverfahrensvereinbarungen. Diese werden nachfolgend dargestellt. Wir orientieren uns bei der Reihenfolge an dem üblichen zeitlichen Ablauf des Prüfverfahrens ab der Einleitung:

  • Nach § 275c Abs. 1 S. 1 SGB V beträgt die Frist für die Einleitung einer Einzelfallprüfung nicht mehr sechs Wochen, sondern vier Monate nach Eingang der Rechnung bei der Krankenkasse. Hierdurch kann das Volumen der gleichzeitig anhängigen potentiellen Rückforderungen deutlich zunehmen. Ob dies durch die in § 275c Abs. 2 SGB V eingeführten Prüfquoten beschränkt werden kann, muss bezweifelt werden. Jedenfalls für solche Krankenhäuser, deren Prüfquote bislang unter 12,5% liegt, dürfte sich die Neuregelung eher negativ auswirken.
  • Entsprechend der Verlängerung der gesetzlichen Frist zur Einleitung der Einzelfallprüfung wurden mit der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung auch die Fristen für die Übermittlungen der Unterlagen von bisher 8 auf künftig 16 Wochen und die Frist zur Mitteilung des Prüfergebnisses und etwaiger Rückforderungen von 11 Monaten nach Übermittlung der Prüfmitteilung auf 13 Monate verlängert. Auch insofern ist also davon auszugehen, dass sich die Prüfverfahren erheblich verlängern werden. Achten Sie aber darauf, dass diese Verlängerung nur für solche Fälle gilt, in denen die Krankenhausaufnahme nach dem 01.01.2020 erfolgte.
  • Sofern nach § 275c Abs. 1 S. 3 SGB V nunmehr klargestellt wird, dass die Einzelfallprüfung bei dem für das zu prüfende Krankenhaus örtlich zuständigen MD einzuleiten ist, so war diese Klarstellung seit langem überfällig. Nur bei Einleitung bei diesem MD ist nach diesseitiger Auffassung die Frist des § 275c Abs. 1 S. 1 SGB V eingehalten. Bei Eingang der Prüfmitteilung ist dies zu prüfen. Im Übrigen ist die Vorschrift sprachlich unpräzise, da sie auf die Einleitung abstellt, nicht aber auf die Durchführung der Prüfung. Denkbar ist es daher, dass die Medizinischen Dienste sich bei der Durchführung von Einzelfallprüfungen zusammenschließen um z.B. örtliche Fallüberhänge umzuverteilen. Solange die Prüfung durch den örtlich zuständigen MD eingeleitet wird, kann sie auch von einem anderen MD durchgeführt werden. Dies wäre jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes zulässig.
  • § 17c Abs. 2a KHG sind künftig Nachberechnungen durch das Krankenhaus grundsätzlich ausgeschlossen. Damit sind Fehler bei der Rechnungserstellung nicht mehr korrigierbar. Die vom Bundessozialgericht dazu entwickelte Rechtsprechung wird damit obsolet. Hiervon kann aber gem. § 17c Abs. 2a S. 3 KHG abgewichen werden. Eine solche Abweichung findet sich in der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung. Ob diese Regelungen bei der anstehenden Vereinbarung einer neuen Prüfverfahrensvereinbarung übernommen werden bleibt abzuwarten. Einer sorgfältigen und vor allen Dingen vollständigen Abrechnung wird somit in Zukunft noch mehr Bedeutung zukommen, als bisher.
  • Zwingende Voraussetzung für die gerichtliche Geltendmachung von Krankenhausforderungen bei negativen Prüfergebnissen des MD ist künftig nach § 17c Abs. 2b KHG, dass zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vor Klageerhebung die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung erörtert Einwendungen und Tatsachenvortrag in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung können im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden, wenn sie im Rahmen der Erörterung nach Satz 1 nicht oder nicht fristgerecht vorgetragen worden sind. Die Ausgestaltung der näheren Rahmenbedingungen zu diesem Erörterungsverfahren soll einer Regelung im Rahmen der Prüfverfahrensvereinbarung vorbehalten bleiben.  Gem. § 17 Abs. 2b S. 3 KHG soll in dieser Verfahrensregelung insbesondere die Frist für die Durchführung des Erörterungsverfahrens geregelt werden, deren Lauf frühestens mit dem Inkrafttreten der Verfahrensregel beginnt. Damit lässt sich die Auffassung vertreten, dass bis zum Inkrafttreten der Verfahrensregel keine Frist für die Durchführung des Erörterungsverfahrens vor Klageeinleitung gilt.

In der mittlerweile zwischen den Vertragsparteien erlassenen Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 wird geregelt, dass das Erörterungsverfahren erst mit Vorliegen der entsprechenden Verfahrensregelungen in der Überarbeitung der Prüfverfahrensvereinbarung zum 30.06.2020 Anwendung finden soll, d.h. das Erörterungsverfahren wird durch die Vertragsparteien generell ausgesetzt.

Nach dem Wortlaut des § 17c Abs. 2b KHG können Vertragsparteien der Prüfverfahrensvereinbarung Verfahrensregeln bezüglich der Erörterung vereinbaren. Insbesondere können sie Fristen für die Durchführung solcher Erörterungen festsetzen. Die Regelung sieht aber nicht die Möglichkeit vor, dass die sie das Erörterungsverfahren komplett aussetzen. Es kann daher die Auffassung vertreten werden, dass diese Regelung der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung – mangels gesetzlicher Grundlage – unwirksam ist. Da es sich bei dem Erörterungsverfahren nach unserer Auffassung um eine von den Sozialgerichten bei der Forderungsklage von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung handelt, kann eine Klage vom Gericht als unzulässig abgewiesen werden, wenn das Krankenhaus im Vertrauen auf die Übergangsvereinbarung überhaupt davon absieht die Krankenkasse zur Erörterung aufzufordern. 

Es wird daher empfohlen, bis auf weiteres vor Erhebung der Zahlungsklage eine Erörterung mit den Krankenkassen zu versuchen und die Krankenkassen entsprechend aufzufordern.

Die Erörterungspflicht gilt auch für die von den Krankenkassen gegen die Krankenhäuser zu erhebenden Klagen auf Rückzahlung von Krankenhausvergütungen, so dass Krankenhäuser m.E. auch ihrerseits die Unzulässigkeit einer solchen Klage geltend machen können, sofern seitens der Krankenkasse nicht vorher zur Erörterung aufgefordert worden ist.

Da im Rahmen der Erörterung der Streitstoff des zukünftigen gerichtlichen Verfahrens bestimmt wird und zusätzliche, ggf. später erst erkannten Punkte möglicherweise nicht mehr geltend gemacht werden können, ist die Erörterung sorgfältig und umfassend – vor allen Dingen hinsichtlich medizinischer Aspekte vorzubereiten. Dem medizinischen Controlling wird hier eine große Verantwortung zukommen. Im Hinblick auf die bestehende rechtliche Unsicherheit sollte aber auch der Jurist hinzugezogen werden.

  • § 109 Abs. 6 SGB V können Krankenkassen gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen. Die Aufrechnung ist abweichend von Satz 1 möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. In der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 KHG können abweichende Regelungen vorgesehen werden.

Diese gesetzliche Regelung ist aus Sicht der Krankenhäuser sicher zu begrüßen, wird sich aber in der Praxis nicht in großem Umfang positiv auswirken können. Dem steht nämlich entgegen, dass in § 10 der Prüfverfahrensvereinbarung nach § 17c Abs. 2 S. 1 KHG die Aufrechnung ausdrücklich zugelassen worden war. Dies wurde auch von der Übergangsprüfungsvereinbarung bestätigt. Ob sich daran bei Vereinbarung einer neuen Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) etwas ändern wird bleibt abzuwarten.

Da die Regelung im Übrigen nur für solche Behandlungsfälle gilt, die ab dem 01.01.2020 aufgenommen worden sind, ist daher für ältere Fälle insofern die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG weiter zu beachten. Hier ist insbesondere auf das Urteil vom 30.07.2019 (Az.: B 1 KR 31/18 R) zu verweisen, wonach etwaige landesvertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbote nicht im Anwendungsbereich der PrüfvV gelten. Diese aus Sicht der Krankenhäuser als negativ zu bewertende Rechtsprechung beansprucht bis zu einer Neufassung der PrüfvV ohne Bestätigung des Aufrechnungsrechtes weiterhin Gültigkeit.

  • § 275 c Abs. 3 SGB V haben im Jahr 2020 die Krankenhäuser neben der Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Abrechnungsbetrag einen Aufschlag in Höhe von 10 Prozent dieses Differenzbetrages, mindestens jedoch in Höhe von 300 Euro an die Krankenkassen zu zahlen. Ab dem Jahr 2021 haben die Krankenhäuser bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 60 Prozent neben der Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Abrechnungsbetrag einen Aufschlag auf diese Differenz an die Krankenkassen zu zahlen, dessen Höhe von der jeweiligen Prüfquote abhängt. Auf Seiten der Krankenkassen bleibt es jedoch bei der Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro.

Unabhängig davon, dass diese neue Regelung nach unserer Auffassung eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung der Krankenhäuser im Abrechnungsstreit darstellt, bewirkt sie, dass die erfolgreiche Verfahrensführung von Zahlungsprozessen gegen die Krankenkassen in der Zukunft an Bedeutung gewinn. So entscheidet der Prozessausgang nicht nur darüber, ob und in welchem Umfang im streitigen Einzelfall neben dem Forderungsausfall eine zusätzliche Belastung in Form der Strafzahlung zu tragen sein wird, sondern auch in welchem Umfang in der Zukunft, ab 2021, von den Krankenkassen Strafzahlungen geltend gemacht werden. An dieser Stelle ist erneut auf die Bedeutung einer sorgfältigen und umfassenden medizinischen Dokumentation für das erfolgreiche Betreiben der gerichtlichen Forderungsbeitreibung oder die erfolgreiche Verteidigung gegen Rückforderungsansprüche seitens der Krankenkassen hat.

Überprüfen Sie daher die bisherigen Ergebnisse ihrer Forderungsbeitreibungen im Hinblick darauf, welche Erkenntnisse daraus im Hinblick auf die Qualität der bei Ihnen stattfindenden medizinischen Dokumentation zu ziehen sind.  Versuchen Sie bestehende Dokumentationsmängel zu identifizieren und zu bereinigen.

  • Empfehlung:

Wir empfehlen Ihnen die bei Ihnen bestehenden Verfahrensanweisungen und Checklisten zum Forderungsmanagement grundsätzlich zu überarbeiten und insbesondere im Hinblick auf die vorstehenden Punkte zu überprüfen.

Unseren Dauermandaten werden wir überarbeitete Checklisten bei nächster Gelegenheit zur Verfügung stellen.

Bis auf weiteres sollte die Krankenkasse bei jedem streitigen Behandlungsfall, der ab dem 01.01.2020 aufgenommen worden ist unter Fristsetzung zur Erörterung aufgefordert werden, bevor eine Zahlungsklage eingereicht wird. Wir werden dazu ein entsprechendes Musterschreiben entwickeln.

Überprüfen Sie auf der Grundlage der bereits vorliegenden Ergebnisse ihres Forderungsmanagements die Qualität ihrer medizinischen Dokumentation und versuchen Sie etwaiges Verbesserungspotential möglichst zeitnah umzusetzen.

Grundsätzlich sollten Sie auch eine neue Risikobewertung vornehmen und insbesondere prüfen, welche Auswirkungen sich durch die u.E. verlängerte Verfahrensdauer beim Forderungsmanagement auf ihre Liquidität ergeben können.

Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch für eine persönliche Beratung zur Verfügung.

 

Jens Wernick
Rechtsanwalt

Telefon: 0 89 / 64 20 74 30
E-Mail: jens.wernick@wernick-ius.de

 

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